Gute Heimfahrt!

Wir wünschen allen Teilnehmenden eine entspannte und unterbrechungsfreie Heimreise! In den kommenden Tagen werden die restlichen Unterlagen in der Sektion unter Downloads hochgeladen. Wer die Teilnahmebestätigung nicht abgeholt hat, bekommt diese nachgesendet.

Bis bald auf der nächsten SAP-Fachtagung des TBS-Netzes.

Es gibt ein Leben nach der SAP-Fachtagung

Und das Leben nach der SAP-Fachtagung beginnt in der Regel mit einer Teilnahmebestätigung. Die Teilnahmebestätigung bekommt ihr morgens vor dem Vortrag „Datenschutzrechtliche Prüfnotwendigkeiten in ERP-Systemen“ am Register-Stand ausgehändigt. Wir bitten die Teilnehmenden darum, zeitig einzutreffen, damit keine langen Schlangen entstehen und der Vortrag von Volker Lehnert (SAP) rechtzeitig beginnen kann.

Zukunftsmusik: SAP entwickelt weitere Datenschutz-Funktionen

Am zweiten Tag der SAP-Fachtagung in Köln gab SAP-Senior Volker Lehnert Einblicke in die Datenschutzwelt von SAP. Dr. Stefan Brink (wida) und Dr. Sefan Lücking (Böckler-Stiftung) sparten nicht mit Kritik an Künstlicher Intelligenz.

„Wir haben personenbezogenen Daten in allen Teilen eines SAP-Systems“, sagt der SAP-Senior Direktor für Datenschutz, Volker Lehnert. „Und ich glaube, dass nur ein Teil der Unternehmen in Deutschland diese personenbezogene Daten aus allen SAP-Systemteilen irgendwann löscht.“

Mit SAP ILM (SAP Information Lifecycle Management) gebe es laut Lehnert bereits ein Tool, das genutzt werden könne, um Daten zu löschen – ohne weitere Lizenzkosten. Ein ILM-Projekt sei aber „ein sehr ernstes Projekt, dessen Umsetzung mindestens mehrere Monate, teilweise über ein Jahr“ andauere.

Datenschutz mit SAP wird einfacher

„Wir wollen in Zukunft viele Löschmöglichkeiten bereitstellen“, kündigt Lehnert an. Die festen Kategorien der Geschäftspartner beispielsweise, sollen zukünftig mit konkreten Zwecken der Datenverarbeitung verknüpft werden können. Der TBS-Berater Frank Steinwender kommentiert den Ausblick: „Das wäre ein großer Sprung für uns in der Regelungslandschaft!“

Darüber hinaus wird im Hause SAP aktuell weiter mit Hochdruck an Künstlichen Intelligenz gearbeitet. Lehnert erklärt, dass das Thema im Konzern auch ethisch betrachtet werde. „Es gibt beispielsweise einige Methoden, Vorurteilsreproduktion zu vermeiden.“

„KI ist die Simulation menschlicher Intelligenz für Menschen“, erklärt der ehemalige Landesdatenschutzbeauftragte Baden-Wüttembergs, Dr. Stefan Brink auf der SAP-Fachtagung. Aber KI könne nicht logisch denken, nicht reflektieren und habe kein Bewusstsein. „Wir müssen deshalb immer davon ausgehen, dass das Ergebnis von KI immer auch dumm sein kann.“

Dennoch werde künstliche Intelligenz unsere Gesellschaft erheblich verändern, prophezeit der geschäftsführende Direktor des Wissenschaftlichen Instituts für die Digitalisierung der Arbeitswelt (wida). „Wir sind auf dem Weg in eine risikoaverse Gesellschaft“, sagt Brink. Man werde menschliche Fehler beim Autofahren irgendwann nicht mehr akzeptieren. „Der Versicherungssatz könnte in Zukunft höher werden, wenn Sie der KI ins Lenkrad greifen.“

Der Anpassungsdruck steigt

Man werde unsere Umwelt immer mehr mit Sensorik pflastern, kombiniert mit KI, sagt Brink. Damit wachse der Druck auf Menschen, sich gleichförmig und berechenbar zu verhalten, da die KI auf Abweichung reagiere. Ein Handstand am U-Bahngleis falle aus dem Raster und produziere eine Meldung. Wachsender Anpassungsdruck sei insbesondere in den Betrieben zu erwarten.

Brink appelliert an die Teilnehmenden, sich weiterhin für menschengerechte Arbeitsplätze einzusetzen.

Auch Dr. Sefan Lücking, Leiter des Referats „Mitbestimmung und Wandel der Arbeitswelt“ der Hans-Böckler-Stiftung, kann in Künstlicher Intelligenz mehr Schatten als Licht entdecken. Am Beispiel der Transportlogistik zeigt Lücking negative Aspekte am Arbeitsplatz. Zwar seien vernetzte Fahrzeuge, Navigation und Auswertungen in Echtzeit für die Logistik wertvoll, aber das führe seitens der Fahrerinnen und Fahrer zu Dequalifizierung. „Die Fahrer bekommen nur noch die Informationen, die sie für den nächsten Arbeitsschritt brauchen, dadurch werden sie unselbständig gemacht“ – und auf längere Sicht durch prekär Beschäftigte ersetzt, sagt Lücking.

Wie andere Referenten der SAP-Fachtagung zuvor, spricht auch Lücking die Möglichkeit der Diskriminierung durch KI an: „Es ist schwierig, aus Trainingsdaten, die diskriminierend sind, eine diskriminierungsfreien Entscheidung herbeizuführen.“

KI im Beschäftigteninteresse nutzen!

Gut fände Lücking hingegen, wenn man die KI genau zum umgekehrten Zweck nutzen würde. Sie könnte in den Bestandsdaten des Unternehmens analysieren, wo diskriminierende Verhältnisse herrschen. „In welchen Abteilungen konzentrieren sich die Männer, welche schlecht bezahlte Jobs im Unternehmen werden von Frauen bekleidet.“ Es wären auch KI-Tools denkbar, die Arbeitszeitdaten im Arbeitnehmersinne auswerten. In welchen Abteilungen werden zu welchen Zeiten Überlastungen festgestellt?

Über die KI-Verordnung der EU verliert Lücking nicht viel gute Worte. „Sie verfolgt mit der reinen Risikobetrachtung auf Betriebe bezogen das falsche Konzept“, konstatiert Lücking. „Der Einsatz von KI ist ein sehr komplexer Prozess. Und da reicht es nicht, dass die KI irgendwann mal von einem Unternehmen zertifiziert worden ist, das der Arbeitgeber damit selbst beauftragt hat.“

Recherchetipps:

Böckler Stiftung: Leitfaden zur Überprüfung KI-basierter Systeme.

Rechtsbetrachtung zum Einsatz von KI im Betrieb (kostenloser Download)

Wann kommt endlich das Beschätigtendatenschutzgesetz?

Traditionell beginnt die SAP-Fachtagung mit Beiträgen involvierter Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. So auch heute: Oliver Suchy vom DGB-Bundesvorstand und Gabi Schilling von der IG-Metall NRW vermitteln gewerkschaftliche Perspektiven auf die Digitalisierung.

Suchy kritisiert am Eröffnungstag der SAP-Fachtagung in Köln, dass es mit dem Beschäftigtendatenschutzgesetz nicht wirklich vorangehe. „Im Koalitionsvertrag der Regierung steht, dass ein Beschäftigtendatenschutz-Gesetz kommt“, erläutert Suchy. „Mal sehen, ob es noch kommt, oder im nächsten Koalitionsvertrag wieder drinsteht.“

Suchy, seines Zeichens Abteilungsleiter Grundsatz und Gute Arbeit des DGB Bundesvorstands, hebt diverse KI-Projekte und KI-Gremien hervor, in denen der DGB involviert ist, zum Beispiel das Projekt „Inverse Transparenz“ aus Darmstadt. Zur kommenden KI-Verordnung der EU hat der DGB klare Positionen ausgearbeitet. Suchy lädt die Teilnehmenden der SAP-Fachtagung ein, am „DGB Dialog Künstliche Intelligenz“ teilzunehmen. Der DGB bringe sich auf vielen Ebenen ein, aber in manchen politischen Gremien – insbesondere auf EU-Ebene – herrschten viele widersprüchliche Interessen.

Mensch oder Maschine – wer steuert wen?

„Chancen der Digitalisierung?“ – die kann Suchy freilich erkennen. Der DGB-Gewerkschafter ignoriert aber auch nicht die Gefahren. „Die Überwachungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz nehmen eindeutig zu“, erklärt er. „Es ist aber nicht nur die Frage nach Überwachung“ ergänzt Suchy. „Es kommt auch zu Arbeitsintensivierung und Simplifizierung!“ Es bestehe die Gefahr, dass „Arbeitsplätze und auch ganze Berufsbilder entwertet werden“. Darüber hinaus laute eine zentrale Frage für Gewerkschafter, Betriebs- und Personalräte: „Mensch oder Maschine – wer steuert hier eigentlich wen?“

Gabi Schilling von der IG Metall NRW ist fokussiert auf die Aufgaben der Interessenvertretung in einer immer digitaler werdenden Arbeitswelt. Diesbezüglich stellt die Gewerkschafterin eine massive Veränderung der Betriebsratsarbeit fest: „Die Aufgaben der Interessenvertretung sind riesig!“ Die Arbeitsintensität nehme zu, bei immer komplexeren Aufgaben.

„Die Themen kommen immer schneller, in immer kürzeren Zyklen, aber brauchen immer mehr Zeit“, warnt Schilling. „Das bedeutet nicht nur einen Kulturwandel in den Unternehmen, sondern auch in den Gremien.“ Es gehe schon los bei der Frage, wie gut Betriebsräte in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen vertreten seien.

Hilfe von außen hilft

In vielen Betriebsratsgremien sind die Ressourcen gar nicht vorhanden, um so etwas zu stemmen, sagt Schilling. „Es ist mehr Arbeit, deshalb braucht es auch eine andere Arbeitsteilung innerhalb der Betriebsratsgremien“ – und Hilfe von außen: „Hilfe von Außen hilft dabei, den roten Faden zu behalten!“

Die Digitalisierung mache die Betriebe und Standorte transparenter, sagt die IG-Metallerin. Das führe einerseits dazu, dass Standorte zunehmend gegeneinander ausgespielt werden. Die neue Transparenz könne andererseits für die Interessenvertretung auch Vorteile bieten, so Schilling. Sie ermögliche beispielsweise bessere Einblicke in Abteilungen, in denen die Interessenvertretung bislang nicht direkt vertreten ist. „Und nur mit einem guten Informationsstand kann die Interessenvertretung auf Augenhöhe mit der Arbeitgeberseite sprechen.“


Recherchetipp: Hier gehts zur Betriebslandkarte.

Angenehme Anreise zur SAP-Fachtagung 2023

Wir wünschen allen Teilnehmenden eine angenehme Anreise nach Köln!

Die diejährige SAP-Fachtagung des TBS-Netzes (Technologie. Prozesse. Mitbestimmt!) ist ausgebucht – es werden über 90 Teilnehmende und 12 Referierende erwartet. Die Fachtagung startet am Mittwoch um 13:00 Uhr mit der Begrüßung im entsprechenden Konferenzraum. In örtlicher Nähe wird eine Stand zur Anmeldung aufgebaut sein. Eine erste wichtige Entscheidung ist dort zu fällen!

Wir freuen uns auf Euch!

Der Konferenzraum ist jedenfalls schon da.

Experten-Gespräch: Es bleibt leider kompliziert

torsten

Die diesjährige Podiumsdiskussion beim SAP-Fachtag in Berlin war stark von der neuen EU-Grundverordnung zum Datenschutz und Personalsystemen geprägt. Über ein Gesetz, das aufrütteln sollte und das bislang wenigen bekannte „Recht auf Nichtentwicklung“.

Nächstes Jahr gilt in Europa eine neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verpflichtend. Gemeinsam mit einem kürzlich beschlossenen neuen Bundesdatenschutzgesetz ändert sich damit einiges – auch für den Beschäftigtendatenschutz. Frank Steinwender vom TBS-Netz formulierte auf dem Podium der SAP-Fachtagung allerdings eine scharfe Kritik: „Wir nehmen vor Ort nicht wahr, dass die EU-Grundverordnung in den Betrieben schon geregelt wird. Datenschutz wird von Arbeitgebern nicht wirklich ernstgenommen.“ Das sieht die Juristin Eva Barlage-Melber vom Arbeitgeberverband etwas anders: „Ich erlebe in den Unternehmen eine große Sensibilität. Und ich stelle fest, dass die Sensibilität beispielsweise dahin geht, Daten zurück nach Europa zurückzuholen“, sagt sie. Datenschutzexperte Peter Wedde hat ganz grundsätzliche Einwände. Bei der Grundverordnung gewinne im Zweifelsfall häufig der freie Datenverkehr gegen den Datenschutz, so der Professor.

Personalverarbeitungssysteme kontrovers

Nikolaus Krasser von der Pentos AG machte sich für Personalentwicklungs-Systeme stark: „Viele Unternehmen sind bei der Personalverwaltung noch in der Steinzeit. Das laufen häufig noch Excel-Listen“, kritisiert er. Frank Steinwender vom TBS-Netz warb hingegen auch für ein „Recht auf Nichtentwicklung“:

Wir sollten auch über das ‚Recht auf Nichtentwicklung‘ sprechen. Wenn ich zufrieden bin in meinem Job, sollte ich auch die Möglichkeit haben, mich nicht andauernd entwickeln zu müssen. Im Bereich des Fachwissens schon, aber nicht im Sinne einer permanenten Personalentwicklung.

Fehlende IT-Systeme seien jedenfalls nicht der Grund, weshalb viele Unternehmen ein Problem hätten, gute Leute zu finden, sagt Wedde. „Das liegt häufig schon eher an den schlechten Arbeitsbedingungen.“ Dennoch führe kein Weg an der neuen Technologie vorbei, bekräftigt Verdi-Vorstand Lothar Schröder: „Wir werden jetzt nicht hingehen, die Armee verschränken wie in den 80er-Jahren und sagen: Personalverarbeitungssysteme kommen und nicht in die Betriebe.“ Damit sei man nämlich schon damals nicht sonderlich erfolgreich gewesen.

Roboter haben längst ihre Käfige verlassen“

schroederZuvor skizzierte Schröder die Digitalisierung der Arbeitswelt. Küchen mit Roboterarmen, eine Kiste namens Starship fährt Pakete aus. In einer Berliner Klinik befördern mittlerweise Roboter die Wäsche. „Roboter haben längst ihre Käfige verlassen“, sagt Schröder. Davor könne man sich nicht verschließen, aber der Datenschutz müsse ernst genommen werden und dem „informationellen Exhibitionismus“ etwas entgegengesetzt. Daten seien in den Betrieben nämlich auch zu Disziplinierungsfaktoren geworden, warnte Schröder. Ähnlich dem Index „Gute Arbeit“ müsse man jetzt einen „Index Arbeitnehmerdatenschutz“ aufbauen. Schröder verwies auf die Verdi-Projekte „Prementino“, „Cloud and Crowd“ sowie DiGAP zum Thema.

Aber auch die Gewerkschaft müsse digitaler werden, forderte ein Betriebsrat. „Die Gewerkschaft muss digitaler kommunizieren. Wir brauchen Blogs und müssen in den Netzen aktiver sein.“ Da sei jetzt der DGB gefragt, so der Betriebsrat. „Leaken wir doch mal etwas mehr, was da arbeitgeberseitig abgeht.“

Datenschutz-Folgeabschätzung bleibt spannend

weddeProfessor Peter Wedde ist ein ausgewiesener Experte für Datenschutz und Arbeitsrecht, weshalb der Jurist die Grundzüge und Änderungen der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gut überblicken kann. „Die datenschutzrechtliche Praxis in den Betrieben entspricht schon heute in vielen Fällen nicht den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben“, kritisierte Wedde. Und das werde mit der neuen Verordnung nicht unbedingt besser, zumal in vielen Bereichen immer noch eine nationale Gesetzgebung bestimmte Bereiche reguliere, anstatt eine einheitliche.

Positiv hob Wedde jedoch das Marktort-Prinzip hervor, wonach sich ein Unternehmen an die Datenschutzbestimmung des Ortes halten muss, an dem es wirtschaftet. Neu ist auch die Datenschutz-Folgeabschätzung: „Betriebsräte können in Zukunft von Arbeitgebern verlangen, die Risiken von Techniken für die Beschäftigten einzuschätzen.“ Ein Chance sieht Wedde auch in der Möglichkeit, sich von einer Institution vertreten zu lassen. „Betroffene können ihre Rechte jetzt von Einrichtungen wahrnehmen lassen“, sagt Wedde. Die Gewerkschaften seien hier gefragt. Es gelte nun einen Institution mitzugründen, die die Rechte der Beschäftigten im Datenschutzbereich wahrnimmt.

„Es muss Grenzen für Erreichbarkeit und Verfügbarkeit geben!“

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Flexibilisierung führt zu einer Verlängerung der Arbeitszeit, sagte Annelie Buntenbach vom DGB-Vorstand heute auf der SAP-Fachtagung des TBS-Netzes in Berlin. Die Plattform-Ökonomie setze die Arbeitsbeziehung unter Druck. Die Soziologin Sabine Pfeiffer forderte indes, dass die Beteiligung der Betriebs- und Personalräte ausgeweitet und grundsätzlicher werden müsse.

Am heutigen Eröffnungstag der SAP-Fachtagung unter dem Motto „Datenverarbeitung grenzenlos“ zeigte sich die Gewerkschafterin Annelie Buntenbach kämpferisch. Flexibilisierung bedeute im Regelfall einfach eine längere Arbeitszeit. Und „umso länger die Arbeitszeit, umso höher der Stress“, sagte die Expertin des DGB Bundesvorstandes.

buntenbachMit der Digitalisierung der Arbeit gehe eine gleichzeitige Entgrenzung und Verdichtung der Arbeit einher. „Es muss neue Grenzen für Erreichbarkeit und Verfügbarkeit geben“, forderte deshalb Buntenbach vor etwa hundert Teilnehmenden der SAP-Fachtagung an der Spree. Der DGB werde sich jedenfalls entschlossen gegen eine Verlängerung der Arbeitszeit stellen, bekräftigt Buntenbach. Außerdem müsse alles dafür getan werden, dass es durch die Digitalisierung nicht zu einer massenhaften Verdrängung von Arbeitsplätzen komme.

Mitbestimmung kommt an ihre Grenzen

Laut der Professorin Sabine Pfeiffer von der Universität Hohenheim sind die Beschäftigten in der Bundesrepublik besser auf den Wandel eingestellt, als viele im Unternehmens-Management glauben. Wie Studien belegen, können die meisten Menschen in Deutschland mit Wandel und Komplexität gut umgehen. Privat nutzen die meisten Beschäftigten bereits mobile Endgeräte und moderne Technologien, auch wenn sie in der Arbeit wenig damit zu tun haben, sagt Pfeiffer. „Beruflich qualifizierte Arbeit ist eine einmalige Innovationsressource im eigenen Betrieb.“

pfeifferDie betriebliche Mitbestimmung komme laut Pfeiffer aber zunehmend an ihre Grenzen. „Eine ganze Reihe von Technologien, die in ihrem Zusammenspiel überhaupt erst die Musik machen, müssen gestaltet werden.“ Rechtsbereiche, die früher klar zu trennen waren, würden immer mehr kollidieren, warnt die Soziologin. „Deswegen werden kollektiv wirkende, individuell einklagbare grundsätzliche Rechte immer wichtiger.“

Morgen werden auf der SAP-Fachtagung des TBS-Netzes unter anderem voraussichtlich Professor Peter Wedde über die neue Datenschutzverordnung der EU und Lothar Schröder vom Verdi-Bundesvorstand über die Digitalisierung der Arbeit sprechen.

Datenverarbeitung grenzenlos: SAP-Fachtagung wieder in Berlin

Die SAP-Fachtagung für Betriebs- und Personalräte findet 2017 wieder in Berlin statt. Das veranstaltende Technologie-Beratungsnetzwerk (TBS) hat den Themenkranz stark erweitert. Unter dem Motto „Datenverarbeitung grenzenlos“ soll die Praxis der globalen Datenverarbeitung in den Blick genommen werden. 

„Wenn die Segel getrimmt sind, kann der Wind ruhig schärfer werden“, sagt Katharina Just, TBS-Beraterin und Mitveranstalterin der kommenden Fachtagung. Und genau darum wird es vom 15. bis 17. Mai 2017 im nhow-Hotel  in Berlin gehen: Wie können Interessenvertretung der zunehmend grenzenlosen Datenverarbeitung einen passenden Rahmen setzen? Was müssen wir tun, damit nicht alles, was technisch möglich ist, auch gemacht wird?

Die Herausforderungen sind vielfältig. Die neue SAP-Generation S/4HANA ist bereits bei den ersten Unternehmen und Organisationen im Einsatz. Dazu kommt die häufige Auslagerung von Geschäftsprozessen in die Cloud. Zudem verändert sich durch die Europäische Datenschutzgrundverordnung der rechtliche Rahmen. „Unser branchenübergreifender Erfahrungsaustausch hilft Betriebs- und Personalräten seit vielen Jahren dabei, ihre Mitbestimmungsrechte auch in Zukunft kompetent wahrzunehmen“, sagt Torsten Weber, Leiter der TIBAY in Bayern.

Das Programm der SAP-Fachtagung kann hier eingesehen werden. Unter anderem werden Annelie Buntenbach, DGB Bundesvorstand, die Soziologin Prof. Sabine Pfeiffer sowie der Datenschutzexperte Prof. Peter Wedde erwartet. Das TBS-Netzwerk richtet die SAP-Fachtagung nun seit mehr als einer Dekade aus und freut sich auf einen regen Austausch.

„Datenschutz ist Teil unserer Demokratie“

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Kann SAP die Personalentwicklung fördern? Manchmal – sagen Expertinnen und Experten der SAP-Fachtagung 2014. Wenn der Datenschutz dabei nicht auf der Strecke bleibt. Harte Kritik erntet SAP indes aus den eigenen Reihen. Der SAP-Betriebsratsvorsitzende Ralf Kronig sagt: „Bei SAP herrscht eine maßlose Kurzfristökonomie.“

Wenn der stellvertretende SAP-Betriebsratsvorsitzende Ralf Kronig von früheren Zeiten berichtet, klingt das fast zu schön, um wahr zu sein: „Früher durften die Leute bei SAP alles sagen, auch wenn es Schwachsinn war. Irgendwann ist dann eine Software daraus geworden.“ Für die gute Personalpolitik sei damals der SAP-Mitgründer Dietmar Hopp maßgeblich gewesen. „Hopp war sachlich, hat auf die Menschen geachtet und sie am Kuchen beteiligt.“ Heute hingegen würden die Rahmenbedingungen „gnadenlos von oben diktiert. Wer das nicht exerziert, hat Probleme“.

Jochen Konrad-Klein (links) mit Ralf Kronig (rechts)
Jochen Konrad-Klein (links) mit Ralf Kronig (rechts)

Dass sich bei SAP einiges verändert hat, ist dem Berater-Urgestein Jochen Konrad-Klein von der TBS-NRW auch nicht entgangen. SAP sei nicht ein unschönes Produkt mit einer schönen Unternehmenskultur. „Da passe Produkt und Kultur schon zusammen“, so Konrad-Klein. Der Betriebsräte-Berater spricht von zunehmend mafiösen Zuständen im Konzern. Der Einsatz von SAP zur Personalentwicklung muss allerdings nicht zwingend schlecht ankommen. Benteler betreibt jetzt sein Talent-Management mit SAP und galt auf der Fachtagung als Best-Practice-Beispiel.

„Wir haben diese Datenwelt geschaffen.“
„Wenn die Segel getrimmt sind, kann der Wind ruhig schärfer werden“, sagt Katharina Just, TBS-Beraterin und Veranstalterin der Fachtagung. Laut Just kann SAP die Personalentwicklung fördern, wenn der Betriebsrat auf eine gute Regelung hinwirkt, also die Betriebsvereinbarung gut trimmt und der Betriebsrat in die Prozesse eingebunden ist. Dabei können Betriebsräte jederzeit auf der Hilfe der TBS-Beratungsstellen zählen, versichert Konrad-Klein.

Manfred Österwinter, Betriebsratsvorsitzender, Bentler Deutschland GmbH, lrich Clauß, Wirtschaftsredakteur DIE WELT, Berlin
Manfred Österwinter (links), Ulrich Clauß (rechts)

Aber wie steht es überhaupt um die Zukunft der Betriebsräteberatung? „Das private Kommunikationsverhalten wird immer mehr in die Betriebe getragen“, stellt der Journalist Ulrich Clauß (WELT) fest. Datenschutz könnte demnach unter Beschäftigten – insbesondere unter jungen – immer weniger gefragt sein, vermutet er. Ein Betriebsrat bestätigt diese Einschätzung auf der Fachtagung: „Die älteren Mitarbeiter sind nach wie vor sensibel. Die Jungen gehen inzwischen anders damit um. Aber wir Alten dürfen uns nichts vormachen“, sagt er. „Wir haben diese Datenwelt geschaffen.“

Nicht alles machen, was möglich ist

Ulrike Stühmeier-Pulfrich, Leiterin Personal- und Organisationsentwicklung,Bentler International AG, Manfred Österwinter, Betriebsratsvorsitzender, Bentler Deutschland GmbH
Ulrike Stühmeier-Pulfrich (links), Manfred Österwinter, Betriebsratsvorsitzender, Bentler Deutschland (rechts)

Ulrike Stühmeier-Pulfrich, Leiterin für Personal- und Organisationsentwicklung bei Bentler International, sieht die Personalabteilungen ebenfalls in der Pflicht: „Wir müssen dafür sorgen, dass nicht alles, was technisch möglich ist, auch gemacht wird. Gerade beim Personaldatenschutz gibt es klare Grenzen.“  Das Kommunikationsverhalten der Menschen wandelt sich, bestätigt auch Konrad-Klein. Dennoch stellt der TBS-Berater fest: „Die Beschäftigten nutzen Facebook und Twitter, aber verhalten sich im Unternehmen anders. Sie kommunizieren anders.“ Schließlich sei aber die entscheidende Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Datenschutz sei nämlich ein essentieller Teil unserer Demokratie, betont Konrad-Klein.

Ordnung im Daten-Stadel schaffen

Der erste Tag der SAP-Fachtagung des TBS-Netzes zeigt sehr deutlich, dass die Herausforderungen der Betriebsratsgremien ein weiteres Mal zugenommen haben. Wer Ordnung im betrieblichen Daten-Stadel schaffen will, muss im Takt der immer schnelleren Ein- und Umbrüche bleiben. Und manchmal mit der Mistgabel ran.

Mariano Cordova, Verdi Fachbereichsleiter IT
Mariano Cordova, Verdi Fachbereichsleiter IT

Als Mariano Cordova heute Morgen von seinem Wecker aus dem Schlaf abgeholt wurde, hat die dazugehörige App ihm gleich berichtet, dass er gut geschlafen habe. Die Wetter-App des ehemaligen Konzernbetriebsrats von T-Systems riet ihm wetterfeste Kleidung, die Kaffeemaschine nahm unaufgefordert ihre Arbeit auf. Immer mehr Menschen nutzen derlei Technologien und Ratgeber. Doch als Verdi-Fachbereichsleiter für IT-Fragen hat Cordova auch einen kritischen Blick auf die zunehmend digitale Kontrolle unseres Lebens entwickelt – vor allem dann, wenn es um die Beschäftigten in den Betrieben geht. „Die Digitalisierung schreitet voran“, sagt Cordova. „Aber wenn eine Kontrolle nicht rechtens ist, müssen Betriebsräte handeln und die Vorgänge justiziabel machen“, fordert er auf der SAP-Fachtagung 2014 in Hamburg kämpferisch. Allerdings betonte der Gewerkschafter auch, dass Datenschutz nicht immer im Interesse der Beschäftigten sei.

Die perfektionierte Ausspähung

Dr. Stefan Brink, Leiter der Aufsichtsbehörde für Datenschutz, Rheinland-Pfalz.
Dr. Stefan Brink, Leiter der Aufsichtsbehörde für Datenschutz, Rheinland-Pfalz.

Einer lässt über den Datenschutz hingegen nichts kommen – zumindest nicht in Rheinland-Pfalz. Dr. Stefan Brink ist der oberste Datenschützer im Weinbaugebiet. „Nicht alles, was in Betriebsvereinbarungen steht, erfreut das Herz der Datenschützer“, beklagt Brink. Allzu oft würden wichtige Gesetze zum Schutz der Beschäftigten durch Betriebsvereinbarungen aufgeweicht. Die Arbeitnehmerüberwachung sei inzwischen von einer intuitiven zu einer algorithmischen Überwachung transformiert: schematisch, lückenlos, stochastisch. Er fordert deshalb: „Wir brauchen unbedingt eine gesetzliche Regelung zum Beschäftigtendatenschutz.“ „Mit vielen der vorhandenen Regelungen kann niemand wirklich etwas anfangen“, sagt Brink.

Data-Mining und beschäftigte Versuchskaninchen

Jörg Blumtritt, Data-Mining-Experte und Selbstüberwacher
Jörg Blumtritt, Data-Mining-Experte und Selbstüberwacher

Einen Eindruck, wie perfekte Überwachung heute aussieht, weiß kaum ein Mensch besser als Jörg Blumtritt zu vermitteln. Der Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Social Media“ überwacht sich nämlich professionell selbst. Dazu zeichnet er seine Bewegungsdaten auf, die WLAN-Verbindungen sowie den Akku-Ladestand des Smartphones. Sein Befund: Auch wenige und scheinbar unbedeutende Informationen können verräterische Muster aufzeigen, womit sich verblüffend genaue Aussagen über das Verhalten von Menschen treffen lassen – insbesondere mithilfe von Data-Mining. Data-Mining und „Bring-Your-Own-Device“ verbesserten zwar teilweise den Service, aber „damit machen sie Beschäftigte auch zu Versuchskaninchen“, kritisiert Blumtritt.

Tatort SAP- Aufzeichnungen eines Forensikers

Gerald Schrott, SAP-Systemprüfer, ibs
Gerald Schrott, SAP-Systemprüfer, ibs

Ganz so turbulent geht es noch nicht in allen Betrieben zu. Zumindest im SAP-System lassen sich mit nahezu forensischen Methoden einige Missbrauchsfälle aufdecken. Ob Änderungen an der Berechtigungsverwaltung oder unerlaubte Dateneinsicht: So mancher Verstoß des Arbeitgebers gegen die betriebliche Regelung könnte zumindest geprüft und nachvollzogen werden. Darüber weiß Gerald Schrott bestens Bescheid, der seit 2002 bei IBS Schreiber für SAP-Systemprüfung zuständig ist. Schließlich könnte sich diese mögliche Transparenz aber auch gegen die Beschäftigten wenden, wenn Arbeitgeber beispielsweise ohne Verdachtsmoment auf Spurensuche im SAP-System gehen.

Corporate Compliance nicht ohne BetrVG

Isabel Eder, Juristin der IG BCE-Abteilung Mitbestimmung
Isabel Eder, Juristin der IG BCE-Abteilung Mitbestimmung

Das wäre gegen das Gesetz, betont auch Isabel Eder, Juristin der IG BCE-Abteilung Mitbestimmung. Der Arbeitgeber darf Daten – neben den erforderlichen – nur anlassbezogen erheben und nutzen, um Strafdaten aufzudecken – und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten darf dabei nicht überwiegen. Darüber hinaus müssen dokumentierte tatsächliche Anhaltspunkte den Anfangsverdacht begründen. Insbesondere rät Eder den Betriebsräten, sich bei den immer häufiger angewendeten „Corporate Compliance“-Regelungen einzubringen. Die sogenannte Regelkonformität der Unternehmen bedeute laut der Gewerkschafterin beispielsweise auch: kein Verstoß gegen Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers, Genehmigung von Überstunden nur mit Zustimmung des Betriebsrats.

Die unübersichtlichen Herausforderungen der Betriebratsgremien nehmen in schnellen Intervallen zu. Die kommenden Workshops sollen helfen, im Daten-Gewirr einen besseren Überblick zu behalten, um die Interessen der Beschäftigten weiterhin effizient durchzusetzen.